Beispielaufgabe Interkulturelle Kommunikation Schritt 1 von 2 0% Zunehmende Auslandsreisen, die private und berufliche Kommunikation über weltweite Netzwerke, die wachsende internationale Vernetzung von Wirtschaft, Politik und vielen anderen Bezugsbereichen, eine stark gestiegene Einwanderung von Migranten und Flüchtlingen… Es gibt viele Gründe dafür, dass Kontakte über nationale oder ethnische Grenzen hinaus stetig zunehmen. Dies geht – trotz der Verbreitung von Englisch als „lingua franca“, als internationale Behelfssprache – häufig einher mit Kommunikationsproblemen durch das Zusammentreffen von Verhaltensweisen und Denkmustern, die durch unterschiedliche, einander fremde (Gesprächs-)Kulturen geprägt sind. Ursachen für die Probleme und Konflikte sind etwa fehlendes Wissen über sprachliche Besonderheiten (z.B. Wörter und Gesten), über gesellschaftliche Einstellungen (z.B. das Management von Emotionen, die Bildlichkeit des Ausdrucks, die Unterschiede zwischen kollektiver oder individueller Perspektive), sowie über fehlendes Weltwissen (z.B. über Rituale, Hierarchien). Dies verdeutlicht: Eine fundierte interkulturelle Kompetenz, etwa zum Führen von Gesprächen oder Verhandlungen, ist heute mehr denn je gefragt. Unter interkultreller Kommunikation versteht man in der Kulturwissenschaft die Interaktion zwischen Angehörigen unterschiedlicher Kommunikationsgemeinschaften, die hinsichtlich der jeweils geteilten Wissensbestände und Formen sprachlichen Handelns differieren. Kultur ist allerdings nichts Starres, sondern wird immer wieder neu und anders in Interaktionen reproduziert. Kulturelles Wissen bestimmt, was die Kommunikationspartner als Mitglieder ihrer Kultur in einer bestimmten Situation als normal, vernünftig, plausibel erwarten – insbesondere bei Erstkontakten. Kulturelle Fremdheit kann somit in Interaktionen problematisch werden, indem sie das, was normalerweise selbstverständlich ist, in Frage stellt, indem sie teilweise oder ganz unverständlich bleibt oder indem sie zu Missverständnissen, gar zu Konflikten zwischen Angehörigen unterschiedlicher Kulturen führt – wenn etwa lange Pausen als Inkompetenz, geringe Gestik als Emotionslosigkeit oder große Nähe und Berührungen als Aufdringlichkeit gedeutet werden. Solche auf Unkenntnis beruhende Belastungen und Fehlschläge der Verständigung werden somit schnell der Intention oder gar der Person des Anderen zugeschrieben. Ziel der Forschung zur Interkulturellen Kommunikation ist daher, Auswirkungen kultureller Unterschiede auf eine konkrete Kommunikation zu identifizieren, deren Ursachen aufzudecken und durch geeignete Formen von Beratung, Ausbildung und Training künftig zu vermeiden oder ihre Folgen zu minimieren. Es geht darum, die eigene Kulturfixiertheit aufzubrechen und dafür zu sensibilisieren, dass andere Kulturen für dieselben Aufgaben andere Regeln und Handlungsweisen nutzen könnten (sog. „Cultural Awareness“). Die Kulturwissenschaft leistet dazu einen wesentlichen Beitrag, theoretisch, aber auch praxisbezogen im Bereich der kulturvergleichenden Feldforschung oder der angewandten Gesprächsforschung, die auch in Koblenz vertreten ist. Beispielaufgabe Die folgende Mail wurde von einem chinesischen Universitätsdozenten an einen deutschen Professor geschickt (das Beispiel stammt von Karlfried Knapp): Guten Tag! Entschuldigung fuer die Stoerung. Mein Name ist Liu Di. Ich bin Dozent für Maschinenbau an der Tongi Universität. Regierung von Schanghai gibt mir Stpendium 1 Jahr fuer Fortbildung an ein Deutsche Universitaet. Kann ich das Jahr nach Aachen komen? Ich brauche ein Arbeitsplatz im Werkstofflabor. Leider ist mein Stpendium nur für ein Jahr. Koennen sie mir dann neues stpendium besorgen? Das waere gut. Ich will bei ihnen die Doktorarbeit schreiben. Ich habe gelesen sie sind Spezialist fuer Werkstoffpruefung. Auf ihre Hompage stehen dazu ihre Buecher 1991a und 1998. Koennen sie mir die Buecher schnell schicken? Ich brauche auch die Artikle 1998a, 1999c, 2000a und 2000b. Die gibt es nicht in China. Schicken sie alles mit AIRMAIL. Jetzt ist Juni. Ich bin noch bis 1. August in Schanghai. Technische Hochschule Aachen ist sehr berühmt in China. Ich habe gehoert, in Aachen ist schwielich Wohnungen finden fuer Auslaender und teuer. Koennen sie mir eine Wohnung im Gasthaus der Technische Hochschule besorgen? Ich komme am 1.Oktober in Aachen an. Entschuldigung fuer die Stoerung. Bitte schreiben sie schnell Mit freundlichen Gruessen Liu Di Beispiel aus: Karlfried Knapp (2007): Interkulturelle Kommunikation. In: Karlfried Knapp et al. (Hg.). Angewandte Linguistik. Ein Lehrbuch. Tübingen. Francke (= UTB), 411–432. Welche interkulturellen Probleme und Missverständnisse werden in dieser Mail deutlich und wie lassen sich diese erklären? Zu berücksichtigen sind unter anderem folgende Punkte bei der Antwort: Markieren Sie im Text alle Ihrer Meinung nach unangemessenen Formulierungen und begründen Sie jeweils Ihre Auffassung. Welche Probleme liegen auf sprachlich-stilistischer Ebene vor? Welche Missverständnisse beruhen auf mangelndem Welt- und Kulturwissen des Schreibers? Was unterscheidet in der Regel eine deutsche und eine chinesische Art der Formulierung, insbesondere im Hinblick auf die Direktheit des Ausdrucks? Inwiefern könnte hier eine „Überkompensation“ seitens des chinesischen Verfassers vorliegen? Welche theoretischen und methodischen Konsequenzen für Interkulturelle Trainings könnte man aus solchen realen missglückten Kommunikationen („critical incidents“) ziehen? Achtung: Die Bearbeitung der Aufgaben erfordert etwas Zeit. Bitte nicht sofort die Musterlösung einsehen, sondern erst über die Aufgabe nachdenken.HiddenOhne Titel Erste Auswahl